Ohne Reibung läuft sowieso nichts

Ohne Reibung läuft sowieso nichts, unter diesem Titel haben wir vor Anfang 2013 das Projekt begonnen.

…Und mit zuviel auch nicht, das haben alle Beteiligten inzwischen mehrfach erfahren können.

Stimmt das denn? Fährt ein schnelles Rad nicht völlig reibungslos? Warum hilft Bremsen auf Glatteis nicht, und was bedeutet das, wenn es Reibung gibt zwischen Personen? Reibung ist bei kalten Händen hilfreich, beim Geigen und Klettern unverzichtbar… ohne Reibung könnte man nicht von A nach B gelangen. Wann kann man sie nutzen und wie vermeiden? 350 Grundschüler haben diese These umfassend untersucht und an 7 Grundschulen in 7 Berliner Bezirken in altersgemischten Paaren ca. 150 sagenhafte kinetische Objekte hergestellt. Jede Schule hatte 2 Projektwochen: eine halbe 1.-3. Klasse arbeitete mit einer halben 4.-6. Klasse, so dass immer ein älteres und ein jüngeres Kind ein Team bildeten. In der zweiten Woche wurde getauscht.
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Ohne Reibung läuft sowieso nichts, unter diesem Titel haben wir vor Anfang 2013 das Projekt begonnen.

…Und mit zuviel auch nicht, das haben alle Beteiligten inzwischen mehrfach erfahren können.

Stimmt das denn? Fährt ein schnelles Rad nicht völlig reibungslos? Warum hilft Bremsen auf Glatteis nicht, und was bedeutet das, wenn es Reibung gibt zwischen Personen? Reibung ist bei kalten Händen hilfreich, beim Geigen und Klettern unverzichtbar… ohne Reibung könnte man nicht von A nach B gelangen. Wann kann man sie nutzen und wie vermeiden? 350 Grundschüler haben diese These umfassend untersucht und an 7 Grundschulen in 7 Berliner Bezirken in altersgemischten Paaren ca. 150 sagenhafte kinetische Objekte hergestellt. Jede Schule hatte 2 Projektwochen: eine halbe 1.-3. Klasse arbeitete mit einer halben 4.-6. Klasse, so dass immer ein älteres und ein jüngeres Kind ein Team bildeten. In der zweiten Woche wurde getauscht.

Das Projekt verbindet Kunst und Technik, Logik und Phantasie. Die Frage, warum etwas funktioniert, und wie man etwas mechanisch in Bewegung setzen kann, wurde theoretisch und praktisch erkundet. Akkuschrauber, japanische Sägen, Kneifzangen, Pinsel und Farbe kamen zum Einsatz, begleitet von Film- und Bildbeispielen und einem persönlichen Tagebuch. Jede Schule hatte ein eigenes Thema, mit dem wir uns je nachdem künstlerisch, naturwissenschaftlich, philosophisch und immer handwerklich befassten. Freie Assoziation, physikalisches Wissen, manuelles Geschick und Experimentierfreude waren gleichermaßen erwünscht.

Die Landschaften, Gruppen und Bilder, die entstanden, haben eines gemeinsam: ein zentraler Antrieb bringt alles in Bewegung. Jedes Ensemble ist ein Kosmos für sich, gestalterisch homogen, im Detail jedoch vielfältig, überraschend, anarchisch, konzentriert. Eine große Kurbel bringt Leben in 24 Turnhallen, ein Pedaltritt hilft beim Pendeln, eine Walze lässt 50 Riesen im Kreis tanzen, eine Drehscheibe bringt Flügel zum Schlagen. Augäpfel rollen, Galaxien rotieren, Rahmen gleiten hin und her. Exzenter, Pleuelstangen und Kardanwellen kann man in Funktion sehen. Es ist eine Ausstellung über Kunst und Physik entstanden.

Wie geht das vor sich? Die Projektwoche beginnt mit dem Ausladen des Transportfahrzeugs: 25 Kinder helfen uns ameisengleich, unsere Materialkisten, Werkzeugkoffer, Lattenbündel, die Ständerbohrmaschine und den Staubsauger in den jeweiligen Raum zu tragen. Wir beschriften die Kinder mit Klebeband und Filzer und machen uns miteinander bekannt.

Anhand von mechanischem Spielzeug erhalten die Kinder einen Crashkurs in Physik. Stück für Stück ziehen wir Buntes und Vertrautes aus der Kiste. Warum rollt die Kugel leichter als der Würfel? Wieso fällt der tanzende Kreisel nicht um? Warum fällt das Jojo nach unten und kommt dann wieder hoch? Ändert es seine Drehrichtung, und wann? Keiner wundert sich über ein Jojo, aber wer kann es erklären? Es wird schwieriger: wieso bleibt das Schaf an der Tischkante stehen? Warum klappert die Maus? Wieso fällt das Pferd mit seinem Reiter nicht von den Hufspitzen? Woher kommt und wohin geht die Kraft? So bekommen wir Fläche und Punkt, Reibung, Schwerkraft, Fliehkraft und Gleichgewicht auf immer wieder neue Art erklärt und haben den Kindern das alles ins Gedächtnis gebracht.

Dann wird ausgiebig gespielt.

Jedes Kind führt ein großes Tagebuch aus festem Papier. Es begleitet unsere praktische Arbeit. Wir arbeiten täglich darin. Wir schreiben Geschichten, sammeln Worte, kleben Bilder von vorgestellten Künstlern ein und vorgelesene Gedichte, vergeben Zeichenaufgaben. Hier werden Ideen entwickelt und eigene Alltagssituationen reflektiert. Es werden Entwürfe gemacht, Ergebnisse festgehalten. Technische Skizzen und Werkzeugportraits ergänzen das Spektrum. Das Buch steht immer zur Verfügung. Man kann sich damit zurückziehen und in Ruhe arbeiten, wenn an anderer Stelle das Chaos tobt oder sich an der Ständerbohrmaschine eine Schlange bildet. Es ist ein Arbeits- und Erinnerungsbuch. Ein Spielzeug auswählen und malen ist die erste Aufgabe darin. Dann nehmen wir Fahrt auf.

Wir gestalten unsere Projekte vielfältig, um den SchülerInnen Inhalte jenseits dessen zu vermitteln, was in der Schule ohnehin stattfindet. Wir stellen Zusammenhänge her. Herausragend ist dabei das handwerkliche Tun. Viele Schulen haben weder Fachräume für Kunst und Werken noch Material und Werkzeuge in großem Umfang. Auch die nötige Begleitung gehört dazu. Damit am letzten Tag keine verlorenen Finger/Augen/Nasen und möglichst wenig Brandblasen zu beklagen sind, ist es von Vorteil, zu zweit zu sein.

Wir reisen an mit 9 Akkuschraubern, 11 japanischen Sägen, 25 Laubsägen, Zangen aller Art und einer Ständerbohrmaschine. Wir bringen Hölzer, Kugeln, Schrauben, Nieten, Kabelbinder, Schleifpapier und Klebeband mit. Manche Kinder und Jugendliche hatten noch nie eine Kombizange in der Hand. Sie schauen verblüfft das Gerät an, nachdem alles Zusammenpressen nicht half, und fragen sich, wo man denn mit dem Ding den Draht abkriegt. Das Verstehen zeigt sofortige Wirkung, der Erfolg ist nachhaltig, und das macht allen großen Spaß. Den Hammer kann man gerne vorne halten, den Heißkleber aber nicht! Eine Entwicklung vom schüchternen Laien zum selbstbewussten Fachmann vollzieht sich in 5 Tagen, mit viel Spielraum nach oben.

Als Bildende Künstler machen wir nicht immer für jeden gleich nachvollziehbar sinnvolle Sachen. Auch und gerade die Kinder fragen kritisch, wozu denn Dasdingda gut ist. Das gehört dazu. Anleitung gibt es auf mehreren Ebenen: als Aufforderung zum genauen Zuhören, Hingucken, Mitdenken, Nachmachen, Nachbauen und Abzeichnen der Konstruktionen… als Ermutigung zum eigenen Erfinden, Entwickeln, Abwandeln und Andersmachen, zum Sich-aneignen. Sich etwas vorstellen und planen, es im Tagebuch visualisieren, die Probe mit dem Material wagen. Sie gewinnen immer. Dann fliegen Späne.

Große sollen Kleinen helfen, sie tun es manchmal sehr rührend und gern, manchmal gar nicht. Nicht zu früh aufhören, es noch mal probieren und sich Zeit damit lassen, das ist uns wichtig. Viel wollen ist toll, aber man kann vor Eile und Ehrgeiz das Projekt verpassen. Die Bautage sind für die Kinder vermutlich irgend etwas zwischen Kampf, Tanz und Meditation. Sie ackern wie irre und starren in die Luft, sie geben alles und geben plötzlich auf, sie verlieren ein Werkstück und verlieren die Geduld, sie vergessen sich ganz beim Anmalen eines Rädchens…

Am letzten Tag wird jedes Werk in einer Abschlussrunde gewürdigt. Alle Meister treten paarweise nach vorne und betätigen vor den aufmerksamen Augen der Mitschüler die Kurbeln und Hebel ihrer neuen Maschine. Sie erklären die Funktionen. Sie benennen die Werkzeuge und erzählen die Geschichten zum Dargestellten. Sie beurteilen auch das Projekt, loben und kritisieren. Diese Runde ist ein kleines Fest, in dem alle gemeinsam und gegenseitig ihre Leistung feiern. Hier kommen Freude und Stolz darüber zum Ausdruck, dass man selber bohren, sägen, schrauben durfte und konnte und dass man das noch nie gemacht hat. Tränen, Verbote und Strafpredigten (vor allem wegen Unfug mit den Maschinen) sind meist vergessen.

Seit 5 Jahren sind wir unter dem Motto BEWEGUNG MACHT MEHR SPASS ALS KEINE BEWEGUNG zu Besuch in Schulen. Für Schüler jeden Alters bieten wir KUNST+TECHNIK-Projekte an. 14 Grundschulen und 2 Sekundarschulen aus allen Berliner Bezirken sind unsere bisherigen Partner. Zwei Preise beim Wettbewerb "Kinder zum Olymp" und eine Vorauswahl bei "mixed up" bestätigen den Bedarf an dieser Art von Arbeit.

Julia Ziegler, Christian Bilger

die beteiligten Schulen:

Hermann Gmeiner Grundschule | Lichtenberg
Blumen-Grundschule | Friedrichshain
Hauptmann-von-Köpenick-Grundschule | Köpenick
Richard-Grundschule | Neukölln
Franz-Carl-Achard-Grundschule | Mahrzahn-Hellersdorf
Askanier-Grundschule | Spandau
Grundschule im Blumenviertel | Pankow

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